Positive Nachrichten (Medienwissenschaft)

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Positive Nachrichten sind auf stimmungsaufhellende oder lösungsorientierte Inhalte fokussierte Meldungen. Sie stehen häufig im Gegensatz zu der überwiegenden Negativität üblicher Nachrichtenformate.
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Was bezeichnet dieser Begriff?

Unter positiven Nachrichten (alternativ auch: guten Nachrichten) werden einerseits Meldungen gefasst, die als triviale Stimmungsaufheller erscheinen, die Rezipient_innen unterhalten oder in eine positive Stimmung versetzen sollen[1]. Ein häufiges Beispiel sind individuelle Held_innengeschichten. Andererseits werden journalistische Formate so bezeichnet, die eine nachhaltige, ganzheitliche und ausgewogene Berichterstattung ermöglichen, die konstruktive oder lösungsorientierte Ansätze verfolgt[2].

Die heterogene Beschreibung spiegelt einen mangelnden Konsens über die Begriffsbestimmung. Beide Komponenten beziehen sich auf eine Negativtendenz in traditionellen Nachrichtenformaten. Diese auch als Negativdominanz oder Negativbias betitelte Disposition, viel mehr über negative als über positive Inhalte zu berichten, folgt der Negativität als 'Nachrichtenfaktor' im Sinne der Nachrichtenwerttheorie, die Interesse und Publikationswürdigkeit von Meldungen beschreibt [3]. Funktionierende Abläufe in Politik und Gesellschaft sind in der Regel nicht spannend, abweichende Störungen schon. Der Journalismus erfüllt hier zudem eine sogenannte Überwachungs- oder Watchdog-Funktion. Dies meint, dass Nachrichtenschaffende sich im demokratischen System in der Funktion sehen, Korruption und andere Verfehlungen in Regierung oder Wirtschaft aufzudecken. Des Weiteren gehören dramatische Zuspitzung und Konfliktbetonung zu den Charakteristika des journalistischen Storytellings. Über Konflikt wird zudem eher berichtet als über Konsens[4].

Der Negativbias in den Nachrichten ist auch durch die Rezeption bedingt. Psychologische Erklärungen gehen davon aus, dass Menschen affektiv und kognitiv stärker auf negative Stimuli als auf positive reagieren[5]. Eine biologistische Erklärung nimmt an, dass der Mensch biologisch darauf ausgerichtet sei, nach möglichen Gefahren in seinem Umfeld zu suchen, und daher Nachrichten über abweichende, bedenkliche oder bedrohliche Ereignisse und Ideen priorisiert[6].

Positivität hingegen ist kein Nachrichtenfaktor. Über positive Abweichungen von der Norm wird viel seltener berichtet, vermutlich auch, weil eine negative Störung sehr viel leichter zu definieren und eben von größerem Interesse ist. Daher wird positiven Meldungen oft die gesellschaftliche Relevanz abgesprochen, sie werden als "fluff" abqualifiziert [7]. Umgekehrt zeichnen positive Nachrichten deshalb jene journalistischen Strömungen aus, die versuchen, den Negativbias aufzubrechen.

Woher kommt der Begriff?

Das Forschungsinteresse für negative und positive Nachrichten ist nicht neu, jedoch gibt es vergleichsweise wenige wissenschaftliche Untersuchungen dazu. Bereits 1955 prüfte Walter Gieber anhand eines kleinen Forschungskorpus US-amerikanischer Zeitungen, ob es eine überwiegende Negativität in den ausgewählten Meldungen gebe. Allerdings schien für ihn die vermeintliche Norm, etwa funktionierende Arbeit in sozialen Zusammenhängen, bereits als positive Nachricht zu gelten. Eine Abweichung davon stufte er lediglich in negativer Tendenz als relevant ein.[8]. Für den Journalismus gilt auch heute noch häufig das Leitmotiv „Bad news is good news“[9] oder das vor allem für den US-amerikanischen Raum beliebte Credo „If it Bleeds, it Leads“[10]. Insbesondere in den letzten Jahren sind allerdings Stimmen, die sich der Negativdominanz entgegenstellen, immer lauter geworden. Damit hat auch die Aufmerksamkeit für positive Nachrichten und ihre Bedeutung zugenommen.

Im Journalismus gibt es zwei Strömungen, die sich genauer mit positiven Nachrichten beschäftigen: den positiven Journalismus und den konstruktiven Journalismus, der nach manchen Darstellungen als Überbegriff den positiven Journalismus als eine Spielart umfasst und alle Bewegungen meint, die nicht nur über Probleme, sondern auch über Lösungen berichten. Positiver Journalismus wird von einigen Vertreter_innen dahingehend abgegrenzt, dass er sich nicht so stark an den Werten des traditionellen Journalismus orientiere, sondern ihm mehr emotionale Werte zugeschrieben werden.[11]. Ein wichtiger Anknüpfungspunkt ist dabei die sogenannte Positive Psychologie, ein Begriff, der erstmals von Abraham Maslow 1954 genutzt wurde und als Forschungsfeld in den 1990er-Jahren von Martin Seligman und Mihaly Csikscentmihaly geprägt wurde. Positive Psychologie stellt statt Krankheiten und Leiden die Stärken und das Wohlbefinden der Klient_innen in den Vordergrund. Hier haben sich viele Forschungsansätze, aber auch Kritik ergeben[12]. Positiver und konstruktiver Journalismus haben sich einen analogen Perspektivwechsel im Journalismus auf die Fahnen geschrieben.

Entscheidend für Positive Nachrichten ist, dass nicht nur über Probleme, sondern auch über mögliche Lösungsansätze berichtet werden soll, weswegen teilweise auch von lösungsorientiertem oder Lösungsjournalismus die Rede ist[13]. Weitere verwandte Konzepte sind Friedensjournalismus, Nutzwert-, Ratgeber-, Service- oder Verbraucherjournalismus sowie Civic oder Public Journalism. Der Begriff des konstruktiven Journalismus wird als Sammelbegriff für die verschiedenen Ausprägungen genutzt [14]. Die Ansätze suchen alle einen Perspektivwechsel in der journalistischen Praxis und sind daher mittel- bis langfristig angelegt. In keiner Spielart soll auf Berichte über negative Inhalte ganz verzichtet werden. Stattdessen ist es das Ziel, die Berichterstattung nicht dabei zu belassen und weiter zu recherchieren, dadurch den allgemeinen Kreislauf der Negativität zu durchbrechen und konstruktive, lösungsorientierte oder eben positive Nachrichten in den Vordergrund zu stellen.

Weiterführende Literatur

  • Deutscher Fachjournalisten-Verband (Hrsg.). 2015. Positiver Journalismus. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft.
  • Gyldensted, Cathrine. 2015. From Mirrors to Movers: Five Elements of Positive Psychology in Constructive Journalism. Charleston: GGroup Publishing.
  • Haagerup, Ulrik. 2015. Constructive news: Warum "bad news" die Medien zerstören und wie Journalisten mit einem völlig neuen Ansatz wieder Menschen berühren. Salzburg: Oberauer.
  • Kramp, Leif und Stefan Weichert. 2020. „Nachrichten in Perspektive: Lösungsorientierter und konstruktiver Journalismus in Deutschland.“ OBS-Arbeitsheft 101. Aufgerufen am 5.9.2022. https://www.otto-brenner-stiftung.de/fileadmin/user_data/stiftung/02_Wissenschaftsportal/03_Publikationen/AH101_konstr_Journalismus.pdf.


Quellenverzeichnis

  1. Haagerup, Ulrik. 2020. „The Time is Now: Rethink Journalism: Constructive News as the Media Answer to Democratic Trust Meltdown.“ In Fake News, Framing, Fact-Checking: Nachrichten im digitalen Zeitalter: Ein Handbuch, herausgegeben von Tanja Köhler, 319–32. Digitale Gesellschaft. Bielefeld: transcript Verlag, S.328.
  2. Kramp, Leif und Stefan Weichert. 2020. „Nachrichten in Perspektive: Lösungsorientierter und konstruktiver Journalismus in Deutschland.“ OBS-Arbeitsheft 101. Aufgerufen am 5.9.2022. https://www.otto-brenner-stiftung.de/fileadmin/user_data/stiftung/02_Wissenschaftsportal/03_Publikationen/AH101_konstr_Journalismus.pdf, S.77f.
  3. Faulstich, Werner. 2002. Einführung in die Medienwissenschaft: Probleme - Methoden - Domänen. UTB 2407: Medien- und Kommunikationswissenschaft. München: Fink, S.252.
  4. McIntyre, Karen. 2016. „What Makes ‘Good’ News Newsworthy?“. Communication Research Reports 33 (3): 223–30. Aufgerufen am 5.9.2022. https://doi.org/10.1080/08824096.2016.1186619, S.224.
  5. Fink, Christin. 2015. „Positiver Journalismus - einführende Gedanken.“ In Positiver Journalismus, herausgegeben von Deutscher Fachjournalisten-Verband, 7–17. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft, S.10.
  6. Shoemaker, Pamela J. 1996. “Hardwired for News: Using Biological and Cultural Evolution to Explain the Surveillance Function”. Journal of Communication 46 (3): 32–47. Aufgerufen am 5.9.2022. https://doi.org/10.1111/j.1460-2466.1996.tb01487, S.44.
  7. McIntyre, Karen und Cathrine Gyldensted. 2018. „Constructive Journalism: An Introduction and Practical Guide for Applying Positive Psychology Techniques to News Production.“ JOMI 4 (2): 20–34. Aufgerufen am 5.9.2022. https://doi.org/10.5617/jomi.v4i2.2403, S.26.
  8. Gieber, Walter. 1955. „Do Newspapers Overplay ‘Negative’ News?“. Journalism Quarterly 32 (3): 311–18. Aufgerufen am 5.9.2022. https://doi.org/10.1177/107769905503200305, S.311ff.
  9. Haagerup, Ulrik. 2015. Constructive news: Warum "bad news" die Medien zerstören und wie Journalisten mit einem völlig neuen Ansatz wieder Menschen berühren. Salzburg: Oberauer, S.20.
  10. Gyldensted, Cathrine. 2015. From Mirrors to Movers: Five Elements of Positive Psychology in Constructive Journalism. Charleston: GGroup Publishing, S.183.
  11. Gyldensted, Cathrine. 2015. From Mirrors to Movers: Five Elements of Positive Psychology in Constructive Journalism. Charleston: GGroup Publishing, S.13
  12. Mayring, Philipp. 2012. „Zur Kritik der Positiven Psychologie.“ Psychologie und Gesellschaftskritik 36 (1): 45–61.
  13. Kramp, Leif und Stefan Weichert. 2020. „Nachrichten in Perspektive: Lösungsorientierter und konstruktiver Journalismus in Deutschland.“ OBS-Arbeitsheft 101. Aufgerufen am 5.9.2022. https://www.otto-brenner-stiftung.de/fileadmin/user_data/stiftung/02_Wissenschaftsportal/03_Publikationen/AH101_konstr_Journalismus.pdf, S.5.
  14. McIntyre, Karen und Cathrine Gyldensted. 2018. „Constructive Journalism: An Introduction and Practical Guide for Applying Positive Psychology Techniques to News Production.“ JOMI 4 (2): 20–34. Aufgerufen am 5.9.2022. https://doi.org/10.5617/jomi.v4i2.2403, S.23.

Die erste Version dieses Beitrags wurde von Kim Banerjea erstellt.

Zitiervorschlag: Glossar Digitale Souveränität. 2023. „Positive Nachrichten (Medienwissenschaft).“ https://www.bigdataliteracy.net/glossar/. Zugegriffen am tt.mm.jjjj.