Personalisierung (Medienwissenschaft)

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Personalisierung im digitalen Raum bedeutet, dass digitale Inhalte oder Angebote anhand von gesammelten Daten auf die eigene Person bezogen oder ausgerichtet werden. Diese Technik hat einen hohen ökonomischen Stellenwert, aber auch gesellschaftliche Implikationen, die kritisch betrachtet werden müssen.
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Was bezeichnet dieser Begriff?

Personalisierung bezeichnet einen Prozess, indem durch das Sammeln und Auswerten von personenbezogenen Daten Profile erstelltet werden, die zur Individualisierung des Angebots genutzt werden[1]. Die erstellten Profile werden als eine Sammlung von Merkmalen der Individuen begriffen werden, deren Daten gesammelt wurden. Diese Merkmale können innerhalb eines Profils zusätzlich als Einordnungskriterium zu einer Gruppe dienen[2]. Voraussetzung für sämtliche Personalisierungsprozesse ist grundsätzlich die Möglichkeit, den_die Rezipient_in von anderen Nutzer_innen zu trennen und genau zu identifizieren. Dabei können verschiedene Wege genutzt werden. Einerseits ist eine Vorabregistrierung üblich, bei der von den Nutzer_innen vorgefertigte Felder freiwillig mit Informationen gefüllt werden. Andererseits ist die unbemerkte Sammlung der Nutzungsdaten durch das Erfassen technischer Daten und des Nutzerverhalten des Einzelnen verbreitet[3].

In der Praxis kann Personalisierung unterschiedlichen Praktiken folgen, die wiederum die Begriffsdefinition beeinflussen. Dabei können die Anpassung von Funktionen eines Produktes [4] genauso wie die Bereitstellung der richtigen Informationen zum richtigen Zeitpunkt eine Rolle spielen [5]. Die Gemeinsamkeit der verschiedenen Ansätze ist in der Individualisierung zu finden. Alle theoretischen Ansätze verfolgen trotz der verschiedenen Schwerpunkte den Gedanken, dass auf Kund_innenwünsche individualisiert eingegangen wird. Oft wird zusätzlich zur Personalisierung der Begriff "Targeting" verwendetet. Da dieser jedoch von der eingangs beschriebenen Personalisierung abweicht, ist eine Abgrenzung der der beiden Begriffe notwendig. Im Gegensatz zu Personalisierung wird beim Targeting eine bestimmte Zielgruppe kategorisiert und anhand der Daten werden Empfehlungen für die bestimmte Gruppe angezeigt. Dabei sind kontextbezogenes, verhaltensbezogenes und soziodemografisches Kategorisieren möglich [6].

Parallel zu Prozessen der Personalisierung kristallisieren sich sowohl aus ökonomischer Sicht, als auch aus sozialer und medienwissenschaftlicher Sicht Problematiken und Fragestellungen heraus. Insbesondere der große ökonomischen Stellenwert, der der Personalisierung im digitalen Raum inne ist, aber auch mögliche Effekte wie die Bildung von Filterblasen müssen kritisch betrachtet werden.

Woher kommt der Begriff?

Der Entwicklungsprozess hin zur Personalisierung kann als eine Tendenz der allgemeinen Individualisierung von Angeboten verstanden werden. Der Ausgangspunkt der Individualisierung ist im Übergang vom späten Mittelalter hin zum Beginn der Renaissance zu lokalisieren und mit zunehmenden Möglichkeiten der sozialen Mobilität zu begründen[7][8]. In den folgenden Jahrhunderten werden Individualisierungsprozesse in vielen Disziplinen, wie der Kunst oder der Literatur vorangetrieben und sind ebenfalls zunehmend im familiären Zusammenleben und der Nahrungsbeschaffung in Form von Arbeit zu finden[9]. Die Verlagerung hin zum Individualismus hat zur Folge, dass einerseits größere Entscheidungsspielräume für die einzelnen Individuen möglich sind, andererseits auch ein Individualisierungs- und Entscheidungszwang anhand dieser zu existieren beginnt. Dieser Zwang, sich immer wieder zu individualisieren und zu entscheiden hat für die Individuen weniger langfristige Beziehungen auf allen Ebenen (private Beziehungen, Berufsbeziehungen, parasoziale Beziehungen) zur Folge [10].

Neben den Auswirkungen auf diese individuellen Dimensionen haben Individualisierungs- und Personalisierungstechniken eine kritisch zu betrachtende Auswirkung auf das soziale Gesellschaftsgefüge und die Machtverhältnisse innerhalb der Gesellschaft. Den Prozess der Individualisierung von Gesellschaftstechniken betrachtend, stellte Foucault bereits 1982 - also vor der flächendeckenden Einführung digitaler Personalisierungstechniken - die These auf, dass die Individualisierung innerhalb der Gesellschaft und die Ausrichtung auf die Kontrolle des Individuums ein wichtiger Bestandteil der Aufrechterhaltung gesellschaftlicher Macht sei [11]. Prozesse zur Generierung von Macht und Wissen konzentrieren sich demnach in der Disziplinargesellschaft auf das Individuum [12]. Diese Entwicklung ist innerhalb des Prozesses der Individualisierung eine Neuerung, da das Ziel eine Kontrolle des Individuums und keiner Gruppe darstellt. Eine weitere Arbeit von Foucault erläutert anhand des architektonischen Beispiels des Panoptikums, dass durch Individualisierungstechniken und die Aufteilung von Gruppen in getrennte Subjekte Macht ausgeübt werden kann [13]. Der Umfang und die Ausübung der Individualisierung von Erfahrungen sind dabei unterschiedlich aufgrund der Verantwortlichen und der verwendeten Technologie [14]. Betrachtet man Prozesse der Personalisierung vor diesem Hintergrund, so kann Personalisierung als eine auf das Individuum konzentrierte Machttechnik betrachtet werden.

Parallel dazu kann Personalisierung auch im Bereich der Medienwissenschaften als Entwicklungsprozess betrachtet werden. Medien, insbesondere Massenmedien[15], verfolgen in der Regel eine generalisierte Kommunikation mit den Rezipient_innen[16]. Erste Ansätze, die Rezipient_innen nach verschiedenen Merkmalen zu kategorisieren, bietet die Publikumsforschung, die sich äquivalent zum Rundfunk etabliert hat. In diesem Forschungszweig werden anhand von Daten über das Alter, das Geschlecht, den Haushaltsstand und die Nutzungsdauer von Medien der Nutzer_innen verschiedene Zielgruppenprofile erstellt. Eine Unterscheidung durch personenbezogene Daten findet dabei nicht statt [17]. Grundsätzlich kann die Personalisierung als ein Prozess der Anpassung und Veränderung der traditionell universalen Medienkommunikation betrachtet werden, der aufgrund der Internettechnologien und der Möglichkeit zum automatischen Erfassen, Speichern und Auswerten von Daten ablaufen konnte[18]. Diese Entwicklung wird im Zusammenhang mit Datenschutz und dem verdeckten Sammeln von Nutzer_innendaten oft kritisch betrachtet[19].

Bei Prozessen der Personalisierung spielen ökonomische Interessen ebenso eine entscheidende Rolle, weswegen in den vergangenen Jahrzehnten verschiedene Definitionen der Personalisierung unter ökonomischen Aspekten aufgestellt wurden. Unter synonymen Begriffen ist der Vorgang der Kund_innenorientierung bereits im 19. Jahrhundert in der Literatur zu finden, wobei anhand von Kund_innendaten im Einzelhandel ein personalisiertes Marketing eingeführt wurde [20]. Die erste Erwähnung des Begriffs Personalisierung im Jahr 1985 [21] in einem analogen Kontext lässt ebenfalls darauf schließen, dass Personalisierung auch aus ökonomischer Betrachtungsweise ein Trend ist, dessen Beginn sich lang vor dem Beginn der Digitalisierung datieren lässt. In weiteren Ausführungen aus dem Jahr 1987 wird ein personalisierter Service beschrieben, der durch den_die gegenwärtige_n Mitarbeitender_in auf den_die einzelne_n Kund_in abgestimmt wird [22].

Wonach muss ich fragen?

1. Individuelle Dimension: Instrumentalisierung privater Informationen für personalisierte Inhalte im Sinne von ökonomischen und politischen Absichten

Individuelle politische Souveränität und Bildung:

  • Welche Positionen möchte man als Privatperson gegenüber digitalen Interaktionsräumen, die persönliche Informationen instrumentalisieren, vertreten?
  • Wie kann sichergestellt werden, dass im Zuge der Personalisierung nicht zunehmend an individuelles Nutzungsverhalten angepasste, sondern relevante Inhalte rezipiert werden?
  • Inwiefern wird gesellschaftliche Teilhabe eingeschränkt, wenn Internetangebote mit Personalisierungsmechanismen gemieden werden?
  • Wie kann gegenüber der Personalisierung trotzdem Selbstbestimmung gewahrt werden?

Privatsphäre und Verarbeitung personenbezogener Daten:

  • Welche ethischen Fragestellungen werfen die Rekonstruktion und Vorhersage von persönlichen Aktivitäten durch Primär- und Metadaten im Hinblick auf Persönlichkeitsrechte auf?
  • Wie wird Privatsphäre von Werbetreibenden, Drittanbietern und Online-Medien definiert?
  • Welcher rechtliche Schutz besteht für Subjekte gegenüber Personalisierungstechniken?
  • Inwiefern besteht für Individuen Resignation gegenüber der Komplexität und Allgegenwärtigkeit von Personalisierungsmechanismen und der Marktstellung von Big Data Unternehmen (z.B. Cookie-Abfrage)?

2. Politische, soziale und juristische Dimension:

  • Welchen ökonomischen Wert haben personenbezogene Daten?
  • In welchem Maß kann Transparenz aufgebaut werden, inwiefern und wann Daten klassifiziert und nachvollziehbar werden?
  • Wie kann das Abhängigkeitsverhältnis zu datenbasierten Dienstleistungsunternehmen ausgehandelt werden, um eine aktive Teilnahme an gesellschaftlichen Diskursen zu sichern?
  • Wie können Chancen von datengestützter Kommunikation genutzt werden, ohne Privatsphäre und Vorhersagbarkeit zu instrumentalisieren?
  • Wie prägt Personalisierung unabhängige Bildungsprozesse?
  • Wie wird Manipulation von personenbezogen Daten von ökonomischen und politischen Akteuren eingegrenzt? Was sind ethische Grenzen?
  • Inwiefern besteht institutionelle, kollektive und individuelle Verantwortung, Personalisierung zu kontrollieren?
  • Inwiefern existiert ein Monopol in digitalen Sphären, an welchem man nur durch uneingeschränkte Zustimmung zu Personalisierungsprozessen teilhaben kann?
  • Was sind die (machtpolitische) Interessen der digitalen Instanzen und Medienangebote, die individualisierten Datenströme verwalten bzw. weiterverarbeiten?
  • Welchen Stellenwert und soziale Rolle nehmen digitale Formate ein, die Personalisierung instrumentalisieren?
  • Welche Auswirkungen hat es auf Diskurse der Öffentlichkeit, wenn maßgebliche soziale Austragungsräume und dessen Verwaltung in Privatbesitz stehen?

Wann ist das wichtig?

Sobald personalisierte Inhalte angezeigt werden, kann davon ausgegangen werden, dass durch verschiedene Personalisierungstechniken (Regelbasierte Personalisierung, kollaboratives Filtern, inhaltsbasierte Personalisierung) personenbezogene Daten verwendet worden sind. Sobald personenbezogene Daten verarbeitet werden, eröffnet sich der Anwendungsbereich der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und der des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Das Bewusstsein über die Präsenz von Personalisierungstechniken bei Online-Angeboten ist eine wichtige Grundvoraussetzung, um zu verstehen, dass die Personalisierung zwangsläufig in die Auswahlentscheidungen eines Individuums oder einer Zielgruppe eingreift. Somit findet eine Verschiebung von Verantwortung statt; wo Individuen zuvor eigenständig, geleitet von menschlichen Entscheidungs-, Bewertungs- und Handlungsstrategien Kommunikation bestimmten, wird ein Teil dieser Entscheidungen durch die Personalisierung ausgelagert. Die Filterung von Informationen in personalisierten Systemen kann somit dazu führen, dass wichtige oder relevante Inhalte ausgeschlossen oder verzerrt werden. Wenn Personalisierungsprozesse entscheiden, welche Inhalte einem Individuum oder einer Zielgruppe präsentiert werden, besteht die Gefahr, dass bestimmte Informationen, die als nicht relevant betrachtet werden, herausgefiltert werden. Dies kann zu einer einseitigen Informationsbasis führen [23]. Diese potenzielle Gefahr der Personalisierung wir mit dem in der Medienwissenschaft umstrittenen Begriff des Echokammer-Effekts umschrieben. Der Echokammer-Effekt bezieht sich auf die Tendenz personalisierter Algorithmen und Plattformen, Individuen oder Zielgruppen hauptsächlich Inhalte zu präsentieren, die ihren bereits bestehenden Überzeugungen und Interessen entsprechen.

Wenn Informationen basierend auf den persönlichen Vorlieben und Ansichten eines Individuums oder einer Zielgruppe gefiltert und priorisiert werden, kann dies dazu führen, dass sie nur mit einer begrenzten Bandbreite an Meinungen und Perspektiven konfrontiert werden und, dass sich Menschen in einer Blase - ähnlich dem in der Medienwissenschaft umstrittenen Konzept der Filterblase - befinden, in der ihre eigenen Ansichten bestätigt und verstärkt werden, während abweichende oder widersprüchliche Meinungen kaum oder gar nicht wahrgenommen werden. Beispielsweise wurde der Wahlkampf von Donald Trump im Jahr 2016 durch Facebook auf verschiedene Weisen (zielgerichtete Werbung, Verbreitung von Fehlinformationen, Algorithmen und Filterblasen) beeinflusst [24]. Berichte und Untersuchungen deuten darauf hin, dass Facebook eine Rolle bei der Verbreitung von Fehlinformationen und politischer Propaganda gespielt hat, die den Trump-Wahlkampf unterstützt haben könnten. Durch den Echokammer-Effekt kamen Trump-Anhänger verstärkt mit pro-Trump-Inhalten in Kontakt und alternative Perspektiven waren weniger sichtbar [25]. Der belarussische Publizist Evgeny Morozov argumentiert, dass die Personalisierungsmöglichkeiten, die von den großen Tech-Firmen angeboten werden, eine erhebliche Machtkonzentration mit sich bringen[26]. Eine der zentralen Argumentationen von Morozov besteht darin, dass die personalisierten Algorithmen und Plattformen der Tech-Giganten wie Google, Facebook oder Amazon eine enorme Kontrolle über den Zugang zu Informationen und Inhalten haben. Morozov untersucht die negativen Auswirkungen der Personalisierung auf die politische Freiheit und den gesellschaftlichen Wandel. Er betont auch, dass die großen Tech-Unternehmen aufgrund ihrer personalisierten Algorithmen und Plattformen eine Art "Gatekeeper" für den digitalen Raum darstellen. Sie entscheiden, welche Inhalte sichtbar sind und welche nicht, welche Informationen gefiltert werden und welche nicht. Dies ermöglicht es ihnen, die öffentliche Diskussion und den Informationsfluss zu kontrollieren. Morozov argumentiert, dass dies zu einer Form der Zensur und Manipulation führen kann, da bestimmte Inhalte bevorzugt oder ausgeblendet werden können, um bestimmte Narrative zu fördern oder bestimmte politische, wirtschaftliche oder soziale Interessen zu unterstützen[27]. Der britische Mathematiker Clive Humby nutze die Metapher: „Data is the new oil.", um die Machtkonzentration durch Personalisierungsprozesse zu verdeutlichen[28]. Der öffentliche Diskurs und die weiterführende Sensibilisierung für Personalisierung ermöglichen allerdings auch die Chance, die Internetnutzung und netzbasierten Konsum fairer zu gestalten, sowie gesellschaftliche Kontrollinstanzen für private Medien zu etablieren.

Wie wird der Begriff erfasst/festgestellt?

Die Personalisierung kann in verschiedenen Formen auftreten, einschließlich personalisierter E-Mails, Produktempfehlungen basierend auf früheren Käufen oder Interaktionen, personalisierter Website-Inhalte, individualisierter Werbung oder personalisierter Nutzungserlebnisse in mobilen Apps. Anhand dieser breiten Fächerung an Möglichkeiten, wie Personalisierung auf die Nutzungserfahrung von Nutzer_innen Einfluss nimmt, lässt sich erkennen, dass Personalisierung ein ubiquitäres Phänomen ist, welches mit der Individualisierung der Gesellschaft und der Digitalisierung kaum zu umgehen oder zu begrenzen ist. Allerdings kann der Begriff in verschiedenen Bereichen wie Marketing, E-Commerce, Software-Entwicklung und Kund_innenservice unterschiedliche Bedeutungen haben. Anhand verschiedener Angebote und Tools können Individuen nachvollziehen, wann und wie sie online verfolgt werden. Diese Tools können Einblicke in die Tracking-Praktiken von Websites geben und ermöglichen es den Nutzer_innen, ihre Privatsphäre besser zu schützen. So können Browser-Erweiterungen wie "Privacy Badger", "Ghostery" und "Disconnect" helfen, die Informationen darüber bereitstellen, welche Tracker auf einer besuchten Webseite aktiv sind. Diese Erweiterungen blockieren unter anderem auch Tracking-Technologien und ermöglichen es den Nutzer_innen, ihre Privatsphäre besser zu schützen. Tracking-Detektor-Websites wie "Panopticlick" und "Am I Unique" geben Einblicke in die Tracker-Praktiken und können helfen, das Bewusstsein für Online-Tracking zu schärfen. Außerdem gibt es sogenannte Privacy-Check-Tools wie "PrivacyScore", mit denen Websites auf ihre Datenschutzpraktiken überprüft werden können. Diese Tools bewerten Webseiten hinsichtlich der Datenerfassung, -speicherung und -weitergabe und geben Nutzer_innen eine Einschätzung ihrer Privatsphäre.

Personalisierung hat für die Internetnutzung bedeutende Auswirkungen und daher auch entscheidende Implikationen für die medienwissenschaftliche Forschung [29]. So etwa, wenn durch personalisierte Empfehlungen und Algorithmen der Medienkonsum individualisiert wird. Nutzer_innen erfahren personalisierte Inhalte basierend auf ihren Interessen und Vorlieben. Dies beeinflusst, wie Medieninhalte konsumiert und ausgewählt werden. Auch eröffnet die Personalisierung Möglichkeiten zur gezielten Manipulation von Nutzer_innen. Dies wirft Fragen der Medienethik auf, insbesondere hinsichtlich Transparenz, Datenschutz und Autonomie. Die Medienwissenschaft beschäftigt sich mit diesen Fragen und untersucht die Auswirkungen personalisierter Inhalte auf die Meinungsbildung und das soziale Verhalten. Darüber hinaus haben personalisierte Empfehlungen Auswirkungen auf die Vielfalt und Verfügbarkeit von Inhalten. Plattformen priorisieren häufig populäre oder personalisierte Inhalte, was zur Verdrängung weniger bekannter oder vielfältigerer Medieninhalte führen kann. Diese Veränderungen und ihre Konsequenzen für die Meinungsvielfalt und die Öffentlichkeit sind Untersuchungsgegenstand in der medienwissenschaftlichen Forschung. Die Personalisierung hat auch Auswirkungen auf die Art und Weise, wie Medieninhalte selbst produziert und verteilt werden. Analysegegenstände in der Medienwissenschaft sind in dieser Hinsicht die Veränderungen in der Produktion und Distribution von Inhalten, wie beispielsweise personalisierte Werbung oder die Anpassung von Nachrichteninhalten an individuelle Nutzungsprofile. Weiterhin ermöglicht die Personalisierung Forscher_innen, Zugang zu umfangreichen Daten über das individuelle Nutzungsverhalten zu erhalten. Dies eröffnet neue Möglichkeiten für die nutzungsorientierte Medienforschung, bei der Verhaltensmuster, Präferenzen und Wahrnehmungen von Nutzer_innen untersucht werden, um personalisierte Medienangebote zu verbessern. Es wird allerdings angenommen, dass solche Personalisierungstechniken auch zur Fragmentierung der Öffentlichkeit beitragen können, was unter anderem mit den in der Medienwissenschaft umstrittenen Begriffen der Filterblase sowie der Echokammern und der Homophilie thematisiert wird.

Die amerikanische Autorin Shoshana Zuboff kritisiert in ihrem Buch "The Age of Surveillance Capitalism: The Fight for a Human Future at the New Frontier of Power" die Personalisierung nicht direkt als solche, sondern den Kontext, in dem sie stattfindet, nämlich den "Überwachungskapitalismus" (siehe auch Überwachung). Zuboff erörtert, dass die Personalisierung Teil eines umfassenderen Systems ist, das die Privatheit der Menschen ausnutzt und ihre Daten zur Generierung von Gewinnen und zur Ausübung von Macht verwendet [30]. Zuboff argumentiert, dass Personalisierung und das gezielte Targeting dazu führen, dass Unternehmen und Plattformen über ein enormes Machtgefälle verfügen. Sie haben Zugang zu umfangreichen Daten und Algorithmen, die es ihnen ermöglichen, das Verhalten und die Entscheidungen der Nutzer_innen vorherzusagen und zu steuern. Dieses Machtgefälle könne zu einer Einschränkung der individuellen Freiheit führen und demokratische Prinzipien untergraben.

Welche Bildungsprojekte gibt es dazu?

  • Do Not Track ist eine personalisierte Web-Serie, die in Zusammenarbeit mit öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern, Journalisten, Entwickler und Grafikdesignern entstand und über den Umgang mit Nutzerdaten aufklären soll. Die 7 Episoden thematisieren verschiedene Fragestellungen zum Thema Personalisierung im digitalen Raum, unter anderem zum Thema Online-Profiling und Überwachung, Big Data und Filterblasen. Die Webseite bietet ein Tool an, welches nach Registrierung per Mail-Adresse eine für den_die jeweilige_n Nutzer_in personalisierte Version von Do Not Track erstellt: https://www.donottrack-doc.com.
  • Sicher im Netz ist eine Kampagne des Vereins Deutschland sicher im Netz e.V. (DsiN). Der Verein informiert sowohl auf seiner Webseite als auch in Informationsveranstaltungen unter anderem über Themen wie Datensammlung, Targeting, Cookies: https://www.sicher-im-netz.de.
  • Privacy Badger ist eine Browser-Erweiterung, die Tracking und Targeting auf Webseiten blockiert, um die Privatsphäre der Nutzer_innen zu schützen. Privacy Badger enthält außerdem einen eigenen Algorithmus, welcher entscheidet, wann Tracking stattfindet. Die Erweiterung wurde von der Electronic Frontier Foundation entwickelt, einer amerikanischen Nichtregierungsorganisation, welche sich für den Schutz von Grundrechten im digitalen Raum einsetzt: https://www.privacybadger.org.
  • The Glass Room ist eine Ausstellungsreihe, die vom Tactical Technology Collective organisiert wird. Sie thematisiert verschiedene Aspekte der Datensammlung und des Targetings im Internet und informiert die Besucher über die Auswirkungen auf die Privatsphäre. Die Ausstellung reiste in den Jahren 2016 bis 2019 von Berlin nach New York, London und San Francisco. Im Glass Room befanden sich Objekte, welche Daten, die Beziehung zwischen Nutzer/innen und Daten sowie die Beziehung zu Technologien und Plattformen, die für Nutzer/innen inzwischen im Alltag angekommen sind. Das Ziel war, einen Raum zu bieten, der kritisches Denken und Diskutieren über Targeting und Personalisierung ermöglicht und unterstützt: https://www.theglassroom.org.
  • Die Tracking-Free Ads Coalition ist ein Zusammenschluss von Mitgliedern aus dem Europäischen Parlament, welche von Zivilorganisationen und Unternehmen innerhalb der EU dabei unterstützt werden, die aktuell üblichen Tracking-Methoden der Werbeindustrie zu stoppen. Sie informieren auf ihrer Webseite über die Kosten von Tracking-Werbung und illustrieren, dass Tracking im Journalismus (siehe auch Nachrichten) und bei Nutzer_innen Schaden anrichtet: https://www.trackingfreeads.eu.
  • Das Projekt MyData Global hat zum Ziel, das Verlangen nach Personalisierung und Targeting seitens Unternehmen mit Grundrechten im digitalen Raum in Einklang zu bringen. Dabei soll das Individuum im Mittelpunkt stehen und die Kontrolle über seine Daten zurückerhalten: https://www.mydata.org.

Weiterführende Literatur

Quellenverzeichnis

  1. Muhle, Florian und Josef Wehner. 2016. "Algorithmus und Entscheidung: Anspruch und Empirie personalisierter Medienangebote im Internet." In Medien der Entscheidung, herausgegeben von Conradi, Tobias et al., 111-130. Münster: LIT-Verlag.
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  4. Wind, Jerry und Arvind Rangaswamy. 2001. "Customerization: The next Revolution in Mass Customization." In Journal of Interactive Marketing. 15 (1), 13–32.
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  9. Elias, Norbert. 1997. Über den Prozeß der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen. Frankfurt: Suhrkamp.
  10. Elias, Norbert. 1997. Über den Prozeß der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen. Frankfurt: Suhrkamp.
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  29. Theis-Berglmair, Anna Maria. 2016. "Auf dem Weg zu einer Kommunikationswissenschaft. Zu Andreas Hepps Beitrag 'Kommunikations- und Medienwissenschaft in datengetriebenen Zeiten'". Publizistik 2016 (61, 3): 385-391. Zugegriffen am 08.07.2023. https://link.springer.com/article/10.1007/s11616-016-0302-8.
  30. Zuboff, Shoshana. 2018. Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus. Frankfurt, New York: Campus.



Die erste Version dieses Beitrags beruht auf studentischen Arbeiten im Rahmen des Projekts "Digitale Souveränität und ihre Vermittlung" am Institut für Medienrecht und Kommunikationsrecht und am Institut für Medienkultur und Theater der Universität zu Köln.


Zitiervorschlag: Glossar Digitale Souveränität. 2023. „Personalisierung (Medienwissenschaft).“ https://www.bigdataliteracy.net/glossar/. Zugegriffen am tt.mm.jjjj.